Erste Eingriffe und Erfahrungen
Zum Glück habe ich einen Freund, der auch imkert und große
Erfahrung hat. Dankenswerterweise steht er mir mit Rat und Tat
bei. Denn trotz Kurs und Büchern stand ich anfangs recht unsicher
vor den Beuten. Sind die Bienen gesund? Haben sie genug zu esssen?
Haben sie genug Platz?
Genauso plötzlich wie ich zu meinen zwei Wirtschaftsvölkern
(Bienenvölker, die noch im selben Jahr Honig liefern) kam -
ich hatte noch nicht einmal meine Beuten (Magazine, die wohl schon
bestellt waren) - genauso schnell ging die imkerliche Betreuung
los. Der verkaufende Imker meinte, seine Völker seien eigentlich
keine Anfängervölker und hat mir noch Instruktionen mitgegeben,
was unbedingt sofort getan werden müsste. Obwohl ich noch nicht
einmal einen Imker-Schutzanzug hatte, ging ich am nächsten Abend
hin, um meine Aufgabe zu erfüllen. Auf den Imkerkursen hatte ich
nie einen Schleier getragen und ich fühlte mich dennoch sicher.
Ich dachte, so wäre es auch jetzt und ging mutig meine Aufgabe an,
nämlich in jedes Volk einen Baurahmen (ein leerer Rahmen, in den
die Bienen dann Drohnenwaben einbauen) einzusetzen. Welche
Rähmchen ich dafür rausnehmen sollte, hatte er mir auch gesagt.
Langsam nahm ich den Blechdeckel von der Beute. Ich gab ein paar
Stöße Rauch aus dem Smoker, den ich schon hatte, in das Flugloch.
Dann nahm ich das oben aufliegende Brett ab, gab nochmal ein
bisschen Rauch ab und zog langsam die Plastikfolie ab. Ich war
ermutigt, denn es war alles ruhig. Ich wollte den mir angewiesenen
Rahmen rausheben, aber das war nicht so einfach. Alle waren fest
miteinander verklebt - mit Propolis. Mit dem Stockmeisel wusste
ich gar nicht so richtig, wo da anzusetzen war. Immer wieder
ruckelte der ganze Kasten. Und ein bedrohliches Summen folgte
daraufhin sofort jedes Mal. Nach einigen erfolglosen Versuchen
flogen immer mehr Bienen heraus. Sie machten mir - menschlich
gedacht - einen verärgerten Eindruck; sie flogen wütend um meinen
Kopf herum. Ich ließ mich davon nicht groß stören, wusste ich
doch, dass Bienen nicht einfach zustechen, müssten sie ja deshalb
auch ihr eigenen Leben lassen. Aber dummerweise ließ sich eine auf
meinem Unterkinnbart nieder und summte und brummte dort gewaltig.
Ich hatte das Gefühl, dass sie sich in den Haaren verheddert
hatte. Da wollte ich ihr heraushelfen. Dafür nahm ich den
Stockbesen und strich langsam und sanft über meinen Bart. Aber das
hat ihr offensichtlich nicht gefallen, denn ich spürte einen
Stich. Ja, jeder Imker kriegt mal einen Stich ab, sagte ich mir,
das ist nicht so schlimm; Bienengift ist ja Medizin. Ich wollte
unbeirrt weitermachen. Doch mittlerweile krabbelten Hunderte von
Bienen oben auf den Rähmchen rum, dass es mir schwerfiel,
überhaupt den Stockmeisel an einer freien Stelle anzusetzen. Da
sah ich zunehmend, dass ich eine riesengroße Aufgabe vor mir
hatte, die ich vielleicht doch nicht schaffen konnte. Wieder
setzte sich eine Biene auf mich drauf. Diesmal am Kopfhaar. Eine
flog mir ins Auge hinter das Brillenglas. Sie flog
glücklicherweise wieder weg. Aber die andere war ausdauernd. Oh,
wäre es vielleicht doch zuviel Bienengift, wenn man gleich sehr
viele Stiche abbekommt? Als ich es dann endlich geschafft hatte,
einen Rahmen anzuheben, machten die Bienen aber eine solchen
Summ-Lärm und flogen in hohem Tempo um mich rum, dass ich den Mut
verlor. Ich hätte ja den Rahmen irgendwo abstellen müssen, um dann
den neuen einzusetzen und dann hätte ich die Bienen vom alten
Rahmen lösen und die Zarge hinbringen müssen. Ich kapitulierte.
Ich senkte den Rahmen wieder zurück, legte Folie, Brett und Deckel
auf, packte meine Werkzeuge zusammen und ging - meinen Schmerz am
Hals spürend - eilig nach Hause. Dort entfernte mir mein Sohn den
Stachel mit einer Pinzette. Noch etwa fünf Tage spürte ich die
Stelle. Dann war es vorbei.
Drei Tage später, an einem Samstag-Vormittag bestätigte mir mein
Freund die Notwenigkeit der Maßnahme, kam und leitete mich
freundlicherweise geduldig an. Und wir kontrollierten auch auf
Weiselzellen. Mittlerweile war auch mein Schutzanzug eingetroffen.
Und es ging schon besser, war aber immer noch aufregend genug,
zumal auch ein Security-Mann dazukam, der zuschauen wollte und
zwischendurch noch meinem Freund seine mich ablenkenden Fragen
stellte. Auch spürte ich zwischendurch unter dem dicken
Schutzanzug auf meinem Schenkel etwas krabbeln. Und tatsächlich
war eine Biene durch die schmale Öffnung zwischen Schutzanzug und
Hose am Knöchel eingedrungen. Erfreulicherweise hat sie mich aber
nicht gestochen. Durch ein doch auch wieder nerviges Ausziehen
konnte sie befreit werden. Es war ja noch kalt und die Zarge
sollte nicht so lang offenstehen. Das bedeutete Stress für die
Bienen und so auch für mich.
Nebenbei erfuhr ich, dass auch mein erster Termin am Abend
schlecht gewählt war, denn da sind alle Bienen im Stock. An einem
warmen Vormittag sind viele ausgeflogen. Da lässt es sich
natürlich leichter am Volk arbeiten. Und noch ein Fehler, ich
hätte keinen Rauch ins Flugloch blasen müssen.
Um mir meinen Misserfolg ein wenig kleiner erscheinen zu lassen
und mir Mut für zukünftige alleinige Eingriffe zu machen, sagte
ich meinem Freund und mir, dass die Ausbildung halt auch
suboptimal war. Nie hatte ich während dieser einen Rahmen selber
rausgehoben. Die Hauptaktivität war Zugucken, was bei 25
Teilnehmern und Teilnehmerinnen auch nicht überraschend ist. Aber
zwischen Zusehen und Selbermachen ist doch ein großer Unterschied.
Bei einem der nächsten Kontrollen
Ich wurde immer mutiger und bildete mir ein, meine Bienen würden
mich kennen und sie würden mir nichts tun. Oft haben sie mir auch
wirklich nichts getan. Aber einen schönen Tages setzte sich eine
Biene auf meinen Bart und verhedderte sich darin. Da geriet sie
wohl in Panik und suchte ihr letztes Mittel zur Verteidigung
anzuwenden. Das gelang ihr auch. Mit ihrem Hinterleib erreichte
sie die Haut und setzte ihren ersten und letzten Stich ihres
Lebens ab. Schnell war auch eine zweite Biene zur Hilfe da und sie
stach auch noch zu. Das war schon schmerzhaft. Und am nächsten
Morgen erkannte ich mich selbst nicht wieder.

Ein anderes Mal stach eine Biene in der Nähe der Lippe. Das war
auch recht leidvoll.

Apitherapeutische Erfahrung mit Bienengift
Man könnte annehmen, ich entwickelte eine Aversion gegen die
aggressive Stecherei. Aber nein, im Gegenteil probierte ich im
(wegen Corona eingeschränkten) Frühjahr 2021 eine Apitherapie am
Handgelenk. Dies schmerzte bei Belastung immer wieder. Und da
hörte ich von Apitherapie: Wöchentlich ein Stich an der
betroffenen Stelle und die Schmerzen (wegen Arthritis?) gehen weg.
Der Versuch hat sich gelohnt. Nach 9 "Anwendungen" waren die
Schmerzen vorbei. Zuerst hat mir mein Imkerpate die Bienen aufs
Handgelenk gesetzt, später habe ich es mit eine stumpfen Pinzette
selbst gemacht, entweder am Bienenstand oder ich habe einfach
irgendeine Biene auf einer Blüte in unserem Garten gegriffen und
zur Therapeutin gezwungen. In diesen Momenten dauerte es
erstaunlicherweise außerordentlich lange bis die Bienen sich
wehrten und stachen.

(wieder herausgezogener Stachel mit leerer Giftblase)
Natürlich gewöhnte ich mich mit der Zeit an die Herausforderungen
und empfand auch einen gewissen stolz darüber. Der Duft, der mir
aus der Beute entgegenkam, war ein Hochgenuss. Ich beobachtete
unwillkürlich das Wetter und die jahreszeitlichen Veränderungen
viel bewusster. Und wenn die Bienen fleißig waren und sich nicht
von mir stören ließen, war mir das immer ein Beispiel für jemand,
der voller Hingabe seine Aufgabe erfüllt und damit auch ein
erfülltes Leben hat.
Wenn es dann einmal im Jahr ans Ernten ging, war das ein Höhepunkt
– der materielle Lohn für all die Arbeit. Dass der geschleuderte
Honig besonders vorzüglich schmeckte, war obendrein ein Ansporn
weiterzumachen: gegen Varroa behandeln, für den Winter einfüttern,
gegen Specht und Kälte schützen, auf Gesundheit untersuchen,
gespannt warten, ob sie den Winter überstehen. Das hat auch in der
Regel, sogar zu 100% geklappt. Aber auch einen Winter nicht. Die
Hälfte der vier Völker war einfach weg; die Beuten waren komplett
leer. Wenn man sich kein neues teuer kaufen möchte, dann kann man
sich selbst einen Ableger machen. Der sollte aber ein paar Wochen
mindestens zwei Kilometer entfernt aufwachsen. Man darf ja nicht
einfach irgendwo eine Beute hinstellen. Nein, ein fester
Standplatz muss dem Veterinäramt gemeldet werden, vor dem Wandern
an einen vorübergehenden Standplatz muss man von einem
Bienensachverständigen ein Gesundheitszeugnis für seine Völker
ausstellen lassen.
Man sieht: viel Arbeit, viel Verantwortung - und wenig Ertrag.
So habe ich mich entschlossen, nach sechs Jahren als Hobbyimker im
Juni 2025 in Rente zu gehen. Glücklicherweise hat eine nette
Imkerin meine Ausrüstung und meinen Standort übernommen, sodass
ich dem Nachwuchs meiner Bienen verbunden bleiben kann. Und meine
Erfahrungen und mein gewachsenes Verständnis über Bienen, Natur
und Honig bleiben bei mir und ich bewahre sie als kostbare
Erinnerungsstücke dankbar in meinem Herzen.